



Feber
Bruck, kleine Stadt an der Mur. Regen knapp am Gefrieren. Wolken, dichtes weiches Grau. Menschen, ausdruckslose Gesichter, dick bekleidet mit Regenschirmen in der Hand. Und ich, ich stehe am Koloman–Wallisch–Platz und frage mich, ob von den wenigen Passanten einer auf den Kalender geschaut hat und wenn, ob ihm das Datum und dessen Bedeutung überhaupt aufgefallen sind, oder ob es für ihn nur ein
weiterer Februartag, kalt und nass und grau, ist.
Der Schlossberg schaut nieder auf die Stadt und ich zu ihm auf. Ich kenne diese Stadt nur aus der Prozessakte. Ich suche Anhaltspunkte, Straßennamen, mache ein Foto und mache noch ein Foto. Ich finde die damalige Gendarmeriekaserne, heute ein Polizeirevier. Dort ist der Linhart gefallen, mir auch nur aus der Prozessakte bekannt.
Ich muss weiter. Hier finde ich nicht, was ich suche.
Raus aus der Stadt. Rechte Murseite, zwei Minuten Fahrt. Wegweiser ‘Utschgraben’, links. Irgendwo da müssen sie rüber sein über die Mur, dann zum Utschgraben, Eisenkreuz, Dreipfarren, Richtung Frohnleiten. Der Prozessakte nach sind die Februarkämpfer da marschiert.
Ich fahre durch Oberaich den Utschgraben rauf. Bald wird der Regen zu Schnee und ich komme mit dem Auto nicht weiter. Kamera auf den Rücken gepackt, den Rest geh auch ich zu Fuß. Zehn Zentimeter Schnee, vor zweiundachtzig Jahren war er
hüfthoch. Ich sehe eine Tafel, die den Koloman–Wallisch–Wanderweg beschildert. Tafel Nummer drei, zwei habe ich verpasst. Ich gehe eine geraume Zeit, mache ein Foto, baue die Kamera ab, gehe weiter.
Schnee vom Wind getrieben, diesiges Licht und kalt ist es auch.
Als ich oben bin, zeigt sich ein Stück blauer Himmel und irgendwie stellt sich das Gefühl ein, dass ich angekommen bin. Jetzt sind auch die Filme voll. Ich gehe den gleichen Weg zurück.
Und während des Abstiegs fühle ich mich einem Menschen nahe, der hat sein Leben konsequent gelebt, ganz nah am Leben und ist immer eingestanden, für das, was er für richtig hielt.
Wieder im Auto, frage ich mich, ist es gut, dass ich meinen Sohn zu einem mündigen, womöglich politischen Menschen erziehe, in Zeiten in denen sich wieder Lager bilden und Gräben auftun, die wir beinahe vergessen hatten.
Dieses Buch hab ich für meinen Sohn Pablo Koloman Picker-Schiebel gemacht.